Prostitution in Karlsruhe | Teil 1/2
Problem im System?
13.02.2024 23 min
Zusammenfassung & Show Notes
Wie ist die Lage beim Thema Prostitution in Karlsruhe? Dazu haben wir eine Expertenrunde bestehend aus der Doktorandin Erika Mosebach von der Universität Heidelberg, Patrick Krieg von der Kriminalpolizei und Justin Shrum von der Organisation The Justice Project zu Gast. Gemeinsam diskutieren sie Herausforderungen Status Quo von Prostitution in Karlsruhe.
Vorgestellt werden unter anderem die Probleme bei der Ermittlung von genauen Zahlen, die Beweggründe für den Einstieg in die Prostitution, die Hilfsangebote für Prostituierte und die Debatte um unterschiedliche Modelle zur Regulierung der Prostitution, wie das nordische Modell. Taucht ein in Teil 1 dieser spannenden Diskussion und bleibt gespannt auf Teil 2!
Vorgestellt werden unter anderem die Probleme bei der Ermittlung von genauen Zahlen, die Beweggründe für den Einstieg in die Prostitution, die Hilfsangebote für Prostituierte und die Debatte um unterschiedliche Modelle zur Regulierung der Prostitution, wie das nordische Modell. Taucht ein in Teil 1 dieser spannenden Diskussion und bleibt gespannt auf Teil 2!
Transkript
Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Podcast-Folge von
FREIE WÄHLER und für Karlsruhe. Heute habe ich, glaube ich,
ein Thema für Sie, für Euch, über das viele
falsche Vorstellungen und falsche Meinungen kursieren. Und ich habe ganz tolle
Experten hier. Das Thema ist Prostitution. Das wollen wir heute
mal beleuchten. Wir haben eine kleine Expertenrunde. Ich darf vorstellen,
die Erika Mosebach, Patrick Krieg und Justin
Trump. Und vielleicht stellt er euch mal selber kurz mit zwei Sätzen
vor, wie ihr mit dem Thema beschäftigt seid, woher kommt, was er da macht.
Ja, also ich bin Erika Mosebach. Ich bin
aktuell Doktorandin in der Universität in Heidelberg
und erforsche dort das Thema der Prostitutionsregulierung in Deutschland im
europäischen Kontext. Im Erstberuf bin ich auch Sozialarbeiterin
und habe da ein paar Jahre in der Prostituiertenberatung und Aufsuchendenarbeit
gearbeitet. Hallo und vielen Dank für die Einladung.
Mein Name ist Patrick Rehk. Ich arbeite beim Dezernat für
organisierte Kriminalität beim Polizeipräsidium
Karlsruhe. Bin dort seit 2014 für den
Fachbereich Prostitution zuständig. Zu meinen Hauptaufgaben
gehört die Überwachung der Prostitution in Karlsruhe, Ettling und
Brüssel, die Erkenntnisgewinnung im Rotlichtmilieu.
Ich bearbeite Strafverfahren in direktem Zusammenhang mit
der Prostitutionsausübung und besonders wichtig, ich bin
Ansprechpartner für alle Menschen in der Prostitution.
Ich bin Justin Shrum, ich freue mich hier zu sein und ich bin der Geschäftsführerin
der Justiceprojekt e. V. Das heißt übersetzt Gerechtigkeitsprojekt
Und da haben wir zwei Beratungsstelle hier in Karlsruhe, eine für Frauen in
der Prostitution und eine für Betroffene vom Menschenhandel,
die aus der westafrikanischen Kontext kommen.
Ja, vielleicht zum Einstieg an Sie, Herr Krieg
oder Patrick. Vielleicht hast du uns mal ein paar Zahlen.
Wie kommt man an Zahlen? Woher weiß man, wie viele Menschen jetzt hier in Karlsruhe
in der Prostitution arbeiten? Wir hatten vor kurzem das Thema Straßenstrich.
Man denkt ja, ich hatte so gefühlt 50 oder 100 als Zahl im
Kopf. Wie guckt man an diese Zahlen? Gibt es da genaue Zahlen?
Also die Frage nach seriösen Zahlen ist relativ schwierig zu
beantworten. Das liegt daran, dass das Prostitutenschutzgesetz
ein Anmeldeverfahren vorsieht für Menschen, die in der Prostitution
tätig sein wollen. Man kann sich aber bei
jedem Ordnungsamt in Deutschland anmelden der Prostitution
nachzugehen und die Anmeldung gilt für das gesamte
Bundesgebiet. Das bedeutet wer sich heute in Karlsruhe
anmeldet kann morgen in Frankfurt arbeiten und in Frankfurt hat niemand
Kenntnis davon. Die einzigen Zahlen, die
ich einigermaßen seriös benennen kann, ist zum
einen, dass in Karlsruhe etwa 200 bis 250
Menschen pro Tag der Prostitutionstätigkeit nachgehen.
Diese Zahl beruht auf Kontrollen, die wir ein bis
zweimal im Jahr durchführen. Bei diesen Kontrollen versuchen wir
alle Prostitutionstätten, alle Standorte des Straßenstrichs
in Karlsruhe, Ecklingen, Brüssel an einem Tag zu kontrollieren
und kommen so auf eine gewisse Gesamteinzahl. Die
zweite Zahl, die ich benennen kann, ist, dass in etwa 10 Prozent
der in der Prostitution tätigen Menschen auf dem Straßenstrich ihrer
Tätigkeit nachgehen. Da muss ich jetzt ganz kurz einhaken. Viele glauben
ja, dass das jetzt die Zahlen sind, die euch bekannt
sind, dass die Dunkelziffer viel viel größer ist. Also drei, viermal
so viele Menschen in der Prostitution unterwegs sind. Kann das sein?
Also das Prostitutionsgewerbe funktioniert natürlich nur, wenn
der potenzielle Kunde oder der potenzielle Gast weiß, dass ich der
Prostitution nachgehe. Die eine Möglichkeit ist auf dem Straßenstrich
zu arbeiten, da steht es sichtbar oder in einem großen Club
zu arbeiten. Aber die überwiegende Mehrzahl der
in der Prostitution tätigen Menschen muss Werbung machen für die
eigene Prostitutionstätigkeit. Über diese Werbung
wird es auch uns bekannt und wir führen dann Kontrollen durch
und stellen bei diesen Kontrollen fest, dass die
überwiegende Mehrheit der prostitutionstätigen Menschen über
korrekte Anmeldungen verfügt.
Ein ganz großes Thema Justin an dich, warum
begeben sich Menschen in Prostitution? Es sind wohl überwiegend Frauen, aber es gibt auch Männer.
Warum prostituiert man sich? Warum verkauft man sein Körper? Ja, das ist
eine große Frage und das kommt öfters so und da hat jeder seine
eigenen Vorstellungen und es ist schwierig, erstmal zu sagen, was man
pauschalig überhaupt sagen kann, warum eine Person sich
Prostituiert hat. Eine Sache, was man merkt von
der Zielgruppe, die wir haben in unserer Beratungsstelle. Wir haben bei der
Mehrheit Frauen, die aus Osteuropa kommen.
Das ist dann bei uns. Letztes Jahr war das 59 Prozent, die
aus Bulgarien, Rumänien oder Ungarn gekommen sind.
Und da lag öfters mal so diese ökonomische Gründe
da. Also man redet von Armutsprostitution und
diese, wenn man redet von, was ist Freiwilligkeit, was
ist, was sind Zwangslagern, dann redet man nicht nur von einer
Bedrohung, von Gewalt, sondern manchmal diese Entscheidung, tatsächlich
eine bewusste Entscheidung, das passiert auch öfters mal,
von Rumänien aus nach Deutschland zu kommen, weil
da hört man, das ist eine Möglichkeit in der Prostitution zu
arbeiten und dann nachzugehen, Geld
für ihre Familien zu verdienen. Und das ist dann für sie öfters
mal. Und deswegen ist es für uns dann ein wichtiger Trennpunkt
zwischen Menschenhandel und Prostitution. Man redet öfters mal, man merkt
in der Öffentlichkeit, man redet sehr schnell gemischt
oder man mischt die Dinge zusammen Menschenhandel und Prostitution
und da redet man schon von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen
Ausbeutung, das ist dann ein Bereich, wo es dann vielleicht in der Legale
oder im Gewerbegeschäft von der Prostitution stattfinden
könnte. Also es könnte sein. Aber auf der anderen Seite,
die sind komplett unterschiedliche Dinge. Und wenn wir eine
Frau, die aus dieser armutsbedingten Gründe gekommen sind,
dann haben sie andere Bedarfe.
Sie suchen andere Dinge und andere Unterstützungsangebote aus, als wenn
es dann eine ist, die betroffen ist im Menschenhandel. Da ist mehr Schutz
gebraucht. Es geht einen Straftatanscheid und andere Dinge. Wenn
eine Frau aus der Prostitution aussteigen möchte, dann sie braucht andere Dinge und
da redet man sehr schnell über das Ganze
gemischt, dann verliert man vielleicht diese Möglichkeit zu verstehen,
warum es so wichtig ist, diese Hilfsangebote an
die Frauen angepasst und wo sie herkommen, diese armutsbedingte
Gründe. Ihr helft ja, ihr habt eine Beratungsstelle für die
Frauen, die in der Prostitution arbeiten. Ist es denn
so, dass man durch das Beratungsangebot Ihnen einen Weg aufzeigen kann, aus der
Prostitution auszusteigen oder sagen die dann, naja, wie
sind da eure Erfahrungen? Ich habe jetzt dann irgendwo einen Job angenommen für 13,
14 Euro die Stunde, aber ich muss sagen, es wird mir zu anstrengend und es
bringt nicht das Geld, das ich brauche, es nach Hause zu schücken. Ich gehe
wieder auf den Strich. Das passiert, ja. Das
passiert manchmal nur, wenn man
praktisch von einer Frau redet, die dann keine große Bildung
hat, nicht der Sprache sprechen kann. Das ist schon
ein verzwischter Element der Prostitution als Gewerbe für sich in
diesem Kontext, muss man sagen. Aus freier Träge merken wir diese
Spannung, die Herausforderung, dass es funktioniert,
dass sie dann in der Prostitution arbeiten können, aber sie merken, dass sie
sehr distanziert oder nicht angeschlossen in der
Gesellschaft sind. Sie stehen nicht integriert in der Gesellschaft
und es brauchen sie dann öfters mal
Unterstützungsangebote, die auch mit Integration viel zu tun haben. Wir reden von Migranten, die, wenn
es zum einen Teil der Deutschkenntnis zu haben und andere Bildungsaspekte und die sind Hördern,
die sehr groß sind, aber das heißt nicht, dass wir nicht
Klienten haben, die kommen und sagen, ich will unbedingt aussteigen, weil die
der Lage zu schwierig ist. Ich will was anderes machen. Ich stelle das nicht vor
für mein Leben. Also ich will aussteigen und wir finden das
schon richtig und wichtig,
dass das also wir als freier Träger und auch die
Staat auch Möglichkeiten versuchen,
dass es dann für solche Menschen, die sagen, ich will unbedingt aussteigen oder
beruflich neu orientieren, kann man sagen, dass sie
Gelegenheit haben, dies zu tun. Frustriert es dann nicht, wenn man nicht sagt, ich
habe jetzt vielleicht zwei oder drei begleitet zum Ausstieg, habe
Sprachkurs gemacht, eine Arbeit gesucht, eine Krankenversicherung
und im Prinzip kommen von hinten aus dem Ausland wieder 20 für
die drei nah. Also kommen ja immer mehr, die sagen ja wir gehen auch nach
Deutschland, in der Prostitution zu arbeiten. Ja ich glaube das ist dann die Frage von
welchem Ansatz macht man was man macht. Unser Ansatz ist dann
wirklich so, wir gehen nicht mit diesem
Fokus auf die gesellschaftliche Wanderung oder Änderung, sondern wir
gehen wirklich ganz nah an jede Person und will diese
Hilfsangebote, ein realistisches und gutes Hilfsangebot
anbieten, also wir als Organisation. Und da
merke ich schon, also die letzten so Jahren, zwölf, 13
Jahre, wir in diesem Bereich gearbeitet haben, haben wir bemerkt, diese
drei unterschiedlichen Ansätze, die dann in der Gesellschaft zu finden sind. Das ist dann
diese akzeptierende Hilfe für die einzelnen Frauen oder
Menschen, die in der Prostitution arbeiten. Das ist ein Ansatz, was man
vorkommt und was wir dann davon bewegt sind, sehr stark. Es gibt
diesen holtlich schlechten Jungs Ansatz,
dieser, okay, lass uns die Kriminalitäten bekämpfen und fokussieren
auf diese Aspekte. Und dann es gibt die Frage, was man vor allem in der
letzten Zeit sieht, diese gesellschaftspolitische Frage,
in welcher Gesellschaft will ich leben? Und das finde ich
schon, diese Ansätze, die kommen manchmal inkonkret entgegeneinander
oder stoßen gegeneinander. Wir tun unsere Arbeit
nicht mit dieser Frage, in welcher Gesellschaft wir leben, sondern wir
wohnen, oder vielleicht doch, aber in einer Gesellschaft, wo es auch tatsächlich
konkrete Hilfsangebote für Frauen gibt, die aus der Armutsprostitution
oder auch in der Armutsprostitution arbeiten. Und
diesen Ansatz wollen wir natürlich auch weiter vertreten und wir wollen,
dass das auch sprachfähig ist für die Bevölkerung, wenn
man über das Thema denkt. Man denkt nicht nur über
das als ein gesellschaftliches Thema, was will ich als Gesellschaft haben,
sondern auch wirklich auf den einzelnen Personen, die in
der Armutsprostitution oder allgemein in der Sexarbeit
arbeiten. Ich möchte nochmal das Thema
Prostitution in Beziehung auf die unterschiedlichen Arten, also wir haben ja
kommunalkolitisch auch oft das Thema Straßenstrich.
Das ist zum einen, glaube ich, da sind auch viele Falschinformationen
unterwegs. Es gab ja auch schon Anträge, dass wir
Hilfsangebote für diese Frauen, die auf den Straßenstrich gehen, die
da keinen Schutz haben, keinen Raum, wo sie sich wärmen können oder
waschen können oder so. Es gibt Hilfsangebote auch von euch.
Ihr geht da einmal die Woche hin, genauso glaube ich wie der Tiagone mit dem
Bus, wo die Frauen sich dann aufwärmen können und auch medizinisch versorgt
werden. Und da gibt es immer wieder Anträge, die
Stadt soll da Boxen oder eine Dusche
oder Aufwärmräume und Tee-Ausgabe und so organisieren
und vorhalten. Vielleicht könnt ihr mal so ein bisschen
erklären, warum entscheiden sich die Anprostituierten eben in
einem Bordell oder einem Laufhaus oder einer Wohnung zu arbeiten und die anderen sagen, nein,
ich stehe auf dem Straßenstrich. Also aus
meiner Sicht ist der größte Unterschied dieser unterschiedlichen
Tätigkeit der finanzielle Aufwand, mit dem ich da
reingehen muss. Auf der Straße zahle ich keinerlei Miete.
Wenn ich an einem Abend oder in einer Nacht nichts
verdient habe, dann bin ich bei Null. Wenn ich aber in
einem Portellbetrieb oder in einer Terminwohnung arbeiten will, dann muss
ich die Miete im Freien bezahlen.
Das sind in etwa 100 Euro am Tag, je nachdem, in
welcher Wohnung oder in welchem Betrieb ich arbeite. Das heißt, ich
bin schon mit 100 Euro im Minus und muss diese
100 Euro an diesem Tag erst mal erwirtschaften und
erst dann verdiene ich tatsächlich für meinen Lebenshundert
für meine Familie und das bringt einen
Teil der Prostituierten dazu zu sagen, ich arbeite auf der
Straße, weil ich gar kein Geld habe, im
Voraus ein Zimmer einzumieten oder mich in einen Club
einzumieten. Erika,
oft kursiert ja das
Wort nordisches Modell, wenn es zum Thema Prostitution geht. Das
gibt es in Schweden schon. Wird auch
immer wieder in Deutschland herzitiert, ob man das nicht hier auch
umsetzen kann. Wie siehst du das? Was hältst du davon vom
nordischen Modell? Was ist das überhaupt? Vielleicht kann das für unsere Zuhörer mal so ein
bisschen erklären. Ja, da müsste man tatsächlich ausgreifen
oder ein bisschen weitergehen. Es wird so
weitläufig irgendwie nordisches Modell genannt. Faktisch würde man wahrscheinlich
eher von einem neo-abolitionistischen Modell sprechen.
Also es lehnt sich so ein bisschen an die Abolitionismusbewegung von damals,
von der Sklaverei-Bewegung, wo es darum ging, die Sklaverei aufzulösen.
Das zeigt dann auch wieder das Framing, was wir jetzt hier haben,
was so zur Prostitution gilt, dass es quasi eine Form der Sklaverei
ist. Und jetzt sagt man, es gibt halt
dieses Neo-Abolitionistische, also quasi ein neuer Ansatz,
Frauen aus der Sklaverei der Prostitution zu befreien. Das
wäre jetzt mal so grob der ansatz und wir haben es eben
nicht nur in schweden was jetzt immer wieder auftaucht wir haben es in
frankreich wir haben es in irland israel hat es übernommen Kanada
hat es und in der EU gibt es jetzt auch stark die Tendenz
oder auch durch das Europäische Parlament die Resolution,
dass alle europäischen Mitgliedstaaten das nordische Modell,
dass es ihnen empfohlen wird. Und was eben besonders ist, ist,
dass dieser deutsche Fall da so ein bisschen heraussticht. Wenn ich ein
bisschen zeitgeschichtlich zurückgehe, dann hatten wir in dieser
Zeit von vor 2002 eine große Debatte in
Schweden, in Deutschland, in den Niederlanden, die nach einer
relativ langen Zeit des liberalen Umgangs dazu
übergegangen sind, wir müssen jetzt was tun. Das Thema wurde enttabuisiert.
Die sexuelle Revolution kam ja dazu, die Aids-Pandemie. Das
hat alles dazu geführt, dass man wieder mehr über den Umgang mit Sexualität
gesprochen hat, dass das Thema auch im Parlament debattiert wurde.
Und dann ist ja Schweden diesen Weg gegangen
zu sagen, wir wollen Prostitution entstigmatisieren, wir wollen, dass die Frauen
wieder mehr in die Gesellschaft kommen, integriert werden und dass sie aber auch
geschützt werden. Es wurde stark als Gleichstellungsthema behandelt
und die sind dann eben dazu übergegangen zu sagen, wir machen eine
asymmetrische Kriminalisierung. Die Frauen selber dürfen
arbeiten, sie werden nicht belangt. Stattdessen werden ja die
Freier, die bisher immer so ein bisschen unter den Tisch gefallen sind, die werden jetzt
dafür strafrechtlich verfolgt und
gleichzeitig, und das ist das Spannende, ist in Deutschland eine ähnliche Debatte gewesen,
die haben auch gesagt, wir wollen Prostituierte entstigmatisieren, wir wollen,
dass sie in die Gesellschaft integriert werden, aber wir machen es über einen
relativ liberalen Weg, quasi
die Dekriminalisierung beider Seiten. Und dadurch
sollte Prostitution in der Gesellschaft ankommen, entstigmatisiert
werden, Auch moralisch sollte diese starke Besetzung aufgelöst
werden. Das sind so diese beiden unterschiedlichen Wege,
die man dann in der EU gefunden hat. Die Niederlande war ja auch ziemlich
liberal in der Zeit. Und jetzt kommt es eben zu
diesem Shift. Wir hatten dann relativ kurz nach diesem Prostitutionsgesetz
von 2002 in Deutschland kam Kritik
auf. Es wurde gesellschaftlich viel diskutiert, aber auch auf Parlamentsebene,
dass dann gemerkt wurde, okay, irgendwie passieren da jetzt Dimensionen, weil
ja nicht nur Prostitution dekriminalisiert wurde, sondern auch andere
legale Situationen verändert wurden. Also die Polizei hatte nicht
mehr so einfachen Zugang in die Bordelle und
da gab es dann bestimmte Auswüchse. Es gab viel Gangbang-Partys,
Flatrate-Bordelle, Sex mit Schwangeren wurde stark beworben und
das hat so diesen moralischen Aufschrei dann provoziert, dass alle
sagten, oh je, jetzt haben wir hier etwas, was wir eigentlich nie wollten. Also
eine ganz unbeabsichtigte Folgewirkung des Gesetzes im
Grunde. Und
das wurde dann eben viel diskutiert. Das Parlament ging dann dazu
über, zu sagen, okay, wir müssen irgendwie nachjustieren, was dann zum
Prostituierten-Schutzgesetz geführt hat, was wir jetzt gerade haben.
Das heißt, dass Bordelle stärker kontrolliert werden. Sie müssen
zertifiziert werden über das Ordnungsamt. Nicht
jeder darf mir ein Bordell aufmachen, sondern es wird dann eben kontrolliert,
wer ist es eigentlich. Die Frauen sollen stärker geschützt werden,
indem sie sich anmelden. Als Prostituierte, das fiel ja gerade schon.
Sie haben regelmäßige Gesundheitsberatungen. Es gibt eine Kondompflicht. Also
einfach so ein paar Rahmenbedingungen, die die Arbeit sicherer
machen sollen. Und da
befinden wir uns jetzt gerade und dieses Gesetz wird
derzeit evaluiert durch ein unabhängiges Institut.
Und was aber jetzt gerade passiert, ist, dass
die Stimmen für dieses sogenannte nordische Modell wieder laut
werden und das gefordert wird, eigentlich müssten wir ja jetzt sofort,
weil wir sehen ja, es ist schlimm, es wird immer schlimmer, den Frauen geht es
schlecht. Aufgrund von einer relativ labilen
Datengrundlage würde ich sagen, möchten
jetzt bestimmte Fraktionen das nordische Modell einführen und eben auch
bestimmte Lobbys. Aber da muss ich jetzt nochmal einhaken. Letztendlich bedeutet
das ja ein Sexkaufverbot, so heißt es ja auch im Volksmund. Und in
Corona hatten wir ja sowas ähnliches schon und der
Bedarf oder die Nachfrage ist ja da auf Käuferseite,
wenn man das so nennen darf. Ist dann nicht zu befürchten, wenn wir
es verbieten, das war eben auch in Corona, dass es sich dann auf
irgendwelche dunklen Waldplatz verlagert. Das Netz bietet ja
heute auch umfassende Möglichkeiten, sich zu verabreden in gewissen
Foren, wo dann auch eben die Ordnungsbehörden und auch die Polizei gar
keinen Zugriff hat. Bewirken wir damit nicht genau das Gegenteil, dass
die Frauen eigentlich viel, viel weniger geschützt sind, weil ich wenn ich mir vorstelle auf
so einem Autobahnraschplatz, wo selten jemand vorbeikommt, dann auch Gewalt
anzutun oder auch danach nichts zu bezahlen, ist da die Chance viel, viel
größer. Geht der Schuss nicht nach hinten los? Das ist zu vermuten.
Auch da es gibt wieder wenig belastendes Datenmaterial. Es gibt
in Schweden und Frankreich natürlich schon Untersuchungen, die aber
nicht von unabhängigen Instituten geführt werden, würde ich sagen,
sondern es steht immer auch quasi eine bestimmte Idee dahinter.
Die Schweden sagen, das Modell funktioniert, es gibt
geringere Nachfrage, der Menschenhandel ist nicht mehr so präsent
wie vorher. Das ist eine offizielle Nachfrage. Das
weiß man. Man sieht es ja dann auch nicht mehr. Von daher ist es
auch nicht mehr so leicht Daten zu erheben. Weil wenn
ich mir jetzt vorstelle, ich als Sozialwissenschaftlerin komme ins Feld und möchte jetzt
sehen, wie viele Männer gehen denn zu Prostituierten. Ich werde ja niemanden finden, der bereit
ist, mit mir zu sprechen. Und das ist einfach die Schwierigkeit.
Das funktioniert in Deutschland noch relativ gut. Es gibt Untersuchungen, die sich an
Männer richten. Und da sind die Männer auch bereit zu reden, auch zu
erklären, warum machen sie es und wie oft und so weiter. Von
daher kommt man da relativ gut noch an Daten dran. Das ist in diesen
anderen Ländern mit dem nordischen Modell eben nicht mehr möglich.
Und das, was man aber auch schon untersucht hat, ist,
dass es für Frauen tatsächlich prekärer geworden ist. Also manche können es
sich vielleicht leisten zu sagen, gut, dann arbeite ich jetzt nicht mehr in Schweden, sondern
dann arbeite ich in den Niederlanden oder in Deutschland. Da ist es
einfacher. Da habe ich einen einfachen Umgang mit der Klientel. Die, die es sich nicht
leisten können, bleiben dort und haben dann
aber eigentlich prekärere Umstände. Also was in Schweden auch ist, dass es
eng mit dem Migrationsgesetz verbunden
ist. Das heißt, für Frauen ist es immer auch eine gewisse Gefahr,
wenn ich einreise und mir wird unterstellt, dass ich der
Prostitution nachgehen möchte, kann ich direkt wieder ausgewiesen werden.
Das heißt, so ganz funktioniert es auch nicht mit der Dekriminalisierung. Also
zumindest ein Stigma bleibt trotzdem haften. Und
was zum Beispiel für Frauen, die am
Straßenstrich arbeiten, die haben ein relativ gutes Gespür, zumindest
was wir aus unserer Praxiserfahrung jetzt mitbekommen haben, bei wem steige ich
jetzt ins Auto, wie sicher ist eigentlich die Situation gerade und die haben auch die
Minuten, das einzuschätzen. In Schweden, da ist es ja
im Interesse beider Parteien für die Frau, damit sie das Geld verdient, für den Mann,
dass er nicht verhaftet wird. Das ist ziemlich
schnell passiert. Das heißt, die Frau steigt sehr schnell in ein Auto, ohne
abprüfen zu können, ist es jetzt gerade für mich sicher und sie wird es auch
wahrscheinlich machen, wenn sie ein ungutes Gefühl dabei hat. Ja, wir sind
am Ende von unserem ersten Teil zum großen Thema heute Prostitution.
Spannende Expertenrunde und ich freue mich, wenn ihr vielleicht beim zweiten
Teil wieder reinschaltet oder reinhört. Tschüss! Oder wenn ihr beim zweiten Teil wieder reinhört. Tschüss!