Die Lage in Karlsruhe

Politik-Podcast aus der Freien Wähler | FÜR Karlsruhe Fraktion

Prostitution in Karlsruhe | Teil 1/2

Problem im System?

13.02.2024 23 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wie ist die Lage beim Thema Prostitution in Karlsruhe? Dazu haben wir eine Expertenrunde bestehend aus der Doktorandin Erika Mosebach von der Universität Heidelberg, Patrick Krieg von der Kriminalpolizei und Justin Shrum von der Organisation The Justice Project zu Gast. Gemeinsam diskutieren sie Herausforderungen Status Quo von Prostitution in Karlsruhe. 
Vorgestellt werden unter anderem die Probleme bei der Ermittlung von genauen Zahlen, die Beweggründe für den Einstieg in die Prostitution, die Hilfsangebote für Prostituierte und die Debatte um unterschiedliche Modelle zur Regulierung der Prostitution, wie das nordische Modell. Taucht ein in Teil 1 dieser spannenden Diskussion und bleibt gespannt auf Teil 2! 

Transkript

Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Podcast-Folge von FREIE WÄHLER und für Karlsruhe. Heute habe ich, glaube ich, ein Thema für Sie, für Euch, über das viele falsche Vorstellungen und falsche Meinungen kursieren. Und ich habe ganz tolle Experten hier. Das Thema ist Prostitution. Das wollen wir heute mal beleuchten. Wir haben eine kleine Expertenrunde. Ich darf vorstellen, die Erika Mosebach, Patrick Krieg und Justin Trump. Und vielleicht stellt er euch mal selber kurz mit zwei Sätzen vor, wie ihr mit dem Thema beschäftigt seid, woher kommt, was er da macht. Ja, also ich bin Erika Mosebach. Ich bin aktuell Doktorandin in der Universität in Heidelberg und erforsche dort das Thema der Prostitutionsregulierung in Deutschland im europäischen Kontext. Im Erstberuf bin ich auch Sozialarbeiterin und habe da ein paar Jahre in der Prostituiertenberatung und Aufsuchendenarbeit gearbeitet. Hallo und vielen Dank für die Einladung. Mein Name ist Patrick Rehk. Ich arbeite beim Dezernat für organisierte Kriminalität beim Polizeipräsidium Karlsruhe. Bin dort seit 2014 für den Fachbereich Prostitution zuständig. Zu meinen Hauptaufgaben gehört die Überwachung der Prostitution in Karlsruhe, Ettling und Brüssel, die Erkenntnisgewinnung im Rotlichtmilieu. Ich bearbeite Strafverfahren in direktem Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung und besonders wichtig, ich bin Ansprechpartner für alle Menschen in der Prostitution. Ich bin Justin Shrum, ich freue mich hier zu sein und ich bin der Geschäftsführerin der Justiceprojekt e. V. Das heißt übersetzt Gerechtigkeitsprojekt Und da haben wir zwei Beratungsstelle hier in Karlsruhe, eine für Frauen in der Prostitution und eine für Betroffene vom Menschenhandel, die aus der westafrikanischen Kontext kommen. Ja, vielleicht zum Einstieg an Sie, Herr Krieg oder Patrick. Vielleicht hast du uns mal ein paar Zahlen. Wie kommt man an Zahlen? Woher weiß man, wie viele Menschen jetzt hier in Karlsruhe in der Prostitution arbeiten? Wir hatten vor kurzem das Thema Straßenstrich. Man denkt ja, ich hatte so gefühlt 50 oder 100 als Zahl im Kopf. Wie guckt man an diese Zahlen? Gibt es da genaue Zahlen? Also die Frage nach seriösen Zahlen ist relativ schwierig zu beantworten. Das liegt daran, dass das Prostitutenschutzgesetz ein Anmeldeverfahren vorsieht für Menschen, die in der Prostitution tätig sein wollen. Man kann sich aber bei jedem Ordnungsamt in Deutschland anmelden der Prostitution nachzugehen und die Anmeldung gilt für das gesamte Bundesgebiet. Das bedeutet wer sich heute in Karlsruhe anmeldet kann morgen in Frankfurt arbeiten und in Frankfurt hat niemand Kenntnis davon. Die einzigen Zahlen, die ich einigermaßen seriös benennen kann, ist zum einen, dass in Karlsruhe etwa 200 bis 250 Menschen pro Tag der Prostitutionstätigkeit nachgehen. Diese Zahl beruht auf Kontrollen, die wir ein bis zweimal im Jahr durchführen. Bei diesen Kontrollen versuchen wir alle Prostitutionstätten, alle Standorte des Straßenstrichs in Karlsruhe, Ecklingen, Brüssel an einem Tag zu kontrollieren und kommen so auf eine gewisse Gesamteinzahl. Die zweite Zahl, die ich benennen kann, ist, dass in etwa 10 Prozent der in der Prostitution tätigen Menschen auf dem Straßenstrich ihrer Tätigkeit nachgehen. Da muss ich jetzt ganz kurz einhaken. Viele glauben ja, dass das jetzt die Zahlen sind, die euch bekannt sind, dass die Dunkelziffer viel viel größer ist. Also drei, viermal so viele Menschen in der Prostitution unterwegs sind. Kann das sein? Also das Prostitutionsgewerbe funktioniert natürlich nur, wenn der potenzielle Kunde oder der potenzielle Gast weiß, dass ich der Prostitution nachgehe. Die eine Möglichkeit ist auf dem Straßenstrich zu arbeiten, da steht es sichtbar oder in einem großen Club zu arbeiten. Aber die überwiegende Mehrzahl der in der Prostitution tätigen Menschen muss Werbung machen für die eigene Prostitutionstätigkeit. Über diese Werbung wird es auch uns bekannt und wir führen dann Kontrollen durch und stellen bei diesen Kontrollen fest, dass die überwiegende Mehrheit der prostitutionstätigen Menschen über korrekte Anmeldungen verfügt. Ein ganz großes Thema Justin an dich, warum begeben sich Menschen in Prostitution? Es sind wohl überwiegend Frauen, aber es gibt auch Männer. Warum prostituiert man sich? Warum verkauft man sein Körper? Ja, das ist eine große Frage und das kommt öfters so und da hat jeder seine eigenen Vorstellungen und es ist schwierig, erstmal zu sagen, was man pauschalig überhaupt sagen kann, warum eine Person sich Prostituiert hat. Eine Sache, was man merkt von der Zielgruppe, die wir haben in unserer Beratungsstelle. Wir haben bei der Mehrheit Frauen, die aus Osteuropa kommen. Das ist dann bei uns. Letztes Jahr war das 59 Prozent, die aus Bulgarien, Rumänien oder Ungarn gekommen sind. Und da lag öfters mal so diese ökonomische Gründe da. Also man redet von Armutsprostitution und diese, wenn man redet von, was ist Freiwilligkeit, was ist, was sind Zwangslagern, dann redet man nicht nur von einer Bedrohung, von Gewalt, sondern manchmal diese Entscheidung, tatsächlich eine bewusste Entscheidung, das passiert auch öfters mal, von Rumänien aus nach Deutschland zu kommen, weil da hört man, das ist eine Möglichkeit in der Prostitution zu arbeiten und dann nachzugehen, Geld für ihre Familien zu verdienen. Und das ist dann für sie öfters mal. Und deswegen ist es für uns dann ein wichtiger Trennpunkt zwischen Menschenhandel und Prostitution. Man redet öfters mal, man merkt in der Öffentlichkeit, man redet sehr schnell gemischt oder man mischt die Dinge zusammen Menschenhandel und Prostitution und da redet man schon von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, das ist dann ein Bereich, wo es dann vielleicht in der Legale oder im Gewerbegeschäft von der Prostitution stattfinden könnte. Also es könnte sein. Aber auf der anderen Seite, die sind komplett unterschiedliche Dinge. Und wenn wir eine Frau, die aus dieser armutsbedingten Gründe gekommen sind, dann haben sie andere Bedarfe. Sie suchen andere Dinge und andere Unterstützungsangebote aus, als wenn es dann eine ist, die betroffen ist im Menschenhandel. Da ist mehr Schutz gebraucht. Es geht einen Straftatanscheid und andere Dinge. Wenn eine Frau aus der Prostitution aussteigen möchte, dann sie braucht andere Dinge und da redet man sehr schnell über das Ganze gemischt, dann verliert man vielleicht diese Möglichkeit zu verstehen, warum es so wichtig ist, diese Hilfsangebote an die Frauen angepasst und wo sie herkommen, diese armutsbedingte Gründe. Ihr helft ja, ihr habt eine Beratungsstelle für die Frauen, die in der Prostitution arbeiten. Ist es denn so, dass man durch das Beratungsangebot Ihnen einen Weg aufzeigen kann, aus der Prostitution auszusteigen oder sagen die dann, naja, wie sind da eure Erfahrungen? Ich habe jetzt dann irgendwo einen Job angenommen für 13, 14 Euro die Stunde, aber ich muss sagen, es wird mir zu anstrengend und es bringt nicht das Geld, das ich brauche, es nach Hause zu schücken. Ich gehe wieder auf den Strich. Das passiert, ja. Das passiert manchmal nur, wenn man praktisch von einer Frau redet, die dann keine große Bildung hat, nicht der Sprache sprechen kann. Das ist schon ein verzwischter Element der Prostitution als Gewerbe für sich in diesem Kontext, muss man sagen. Aus freier Träge merken wir diese Spannung, die Herausforderung, dass es funktioniert, dass sie dann in der Prostitution arbeiten können, aber sie merken, dass sie sehr distanziert oder nicht angeschlossen in der Gesellschaft sind. Sie stehen nicht integriert in der Gesellschaft und es brauchen sie dann öfters mal Unterstützungsangebote, die auch mit Integration viel zu tun haben. Wir reden von Migranten, die, wenn es zum einen Teil der Deutschkenntnis zu haben und andere Bildungsaspekte und die sind Hördern, die sehr groß sind, aber das heißt nicht, dass wir nicht Klienten haben, die kommen und sagen, ich will unbedingt aussteigen, weil die der Lage zu schwierig ist. Ich will was anderes machen. Ich stelle das nicht vor für mein Leben. Also ich will aussteigen und wir finden das schon richtig und wichtig, dass das also wir als freier Träger und auch die Staat auch Möglichkeiten versuchen, dass es dann für solche Menschen, die sagen, ich will unbedingt aussteigen oder beruflich neu orientieren, kann man sagen, dass sie Gelegenheit haben, dies zu tun. Frustriert es dann nicht, wenn man nicht sagt, ich habe jetzt vielleicht zwei oder drei begleitet zum Ausstieg, habe Sprachkurs gemacht, eine Arbeit gesucht, eine Krankenversicherung und im Prinzip kommen von hinten aus dem Ausland wieder 20 für die drei nah. Also kommen ja immer mehr, die sagen ja wir gehen auch nach Deutschland, in der Prostitution zu arbeiten. Ja ich glaube das ist dann die Frage von welchem Ansatz macht man was man macht. Unser Ansatz ist dann wirklich so, wir gehen nicht mit diesem Fokus auf die gesellschaftliche Wanderung oder Änderung, sondern wir gehen wirklich ganz nah an jede Person und will diese Hilfsangebote, ein realistisches und gutes Hilfsangebot anbieten, also wir als Organisation. Und da merke ich schon, also die letzten so Jahren, zwölf, 13 Jahre, wir in diesem Bereich gearbeitet haben, haben wir bemerkt, diese drei unterschiedlichen Ansätze, die dann in der Gesellschaft zu finden sind. Das ist dann diese akzeptierende Hilfe für die einzelnen Frauen oder Menschen, die in der Prostitution arbeiten. Das ist ein Ansatz, was man vorkommt und was wir dann davon bewegt sind, sehr stark. Es gibt diesen holtlich schlechten Jungs Ansatz, dieser, okay, lass uns die Kriminalitäten bekämpfen und fokussieren auf diese Aspekte. Und dann es gibt die Frage, was man vor allem in der letzten Zeit sieht, diese gesellschaftspolitische Frage, in welcher Gesellschaft will ich leben? Und das finde ich schon, diese Ansätze, die kommen manchmal inkonkret entgegeneinander oder stoßen gegeneinander. Wir tun unsere Arbeit nicht mit dieser Frage, in welcher Gesellschaft wir leben, sondern wir wohnen, oder vielleicht doch, aber in einer Gesellschaft, wo es auch tatsächlich konkrete Hilfsangebote für Frauen gibt, die aus der Armutsprostitution oder auch in der Armutsprostitution arbeiten. Und diesen Ansatz wollen wir natürlich auch weiter vertreten und wir wollen, dass das auch sprachfähig ist für die Bevölkerung, wenn man über das Thema denkt. Man denkt nicht nur über das als ein gesellschaftliches Thema, was will ich als Gesellschaft haben, sondern auch wirklich auf den einzelnen Personen, die in der Armutsprostitution oder allgemein in der Sexarbeit arbeiten. Ich möchte nochmal das Thema Prostitution in Beziehung auf die unterschiedlichen Arten, also wir haben ja kommunalkolitisch auch oft das Thema Straßenstrich. Das ist zum einen, glaube ich, da sind auch viele Falschinformationen unterwegs. Es gab ja auch schon Anträge, dass wir Hilfsangebote für diese Frauen, die auf den Straßenstrich gehen, die da keinen Schutz haben, keinen Raum, wo sie sich wärmen können oder waschen können oder so. Es gibt Hilfsangebote auch von euch. Ihr geht da einmal die Woche hin, genauso glaube ich wie der Tiagone mit dem Bus, wo die Frauen sich dann aufwärmen können und auch medizinisch versorgt werden. Und da gibt es immer wieder Anträge, die Stadt soll da Boxen oder eine Dusche oder Aufwärmräume und Tee-Ausgabe und so organisieren und vorhalten. Vielleicht könnt ihr mal so ein bisschen erklären, warum entscheiden sich die Anprostituierten eben in einem Bordell oder einem Laufhaus oder einer Wohnung zu arbeiten und die anderen sagen, nein, ich stehe auf dem Straßenstrich. Also aus meiner Sicht ist der größte Unterschied dieser unterschiedlichen Tätigkeit der finanzielle Aufwand, mit dem ich da reingehen muss. Auf der Straße zahle ich keinerlei Miete. Wenn ich an einem Abend oder in einer Nacht nichts verdient habe, dann bin ich bei Null. Wenn ich aber in einem Portellbetrieb oder in einer Terminwohnung arbeiten will, dann muss ich die Miete im Freien bezahlen. Das sind in etwa 100 Euro am Tag, je nachdem, in welcher Wohnung oder in welchem Betrieb ich arbeite. Das heißt, ich bin schon mit 100 Euro im Minus und muss diese 100 Euro an diesem Tag erst mal erwirtschaften und erst dann verdiene ich tatsächlich für meinen Lebenshundert für meine Familie und das bringt einen Teil der Prostituierten dazu zu sagen, ich arbeite auf der Straße, weil ich gar kein Geld habe, im Voraus ein Zimmer einzumieten oder mich in einen Club einzumieten. Erika, oft kursiert ja das Wort nordisches Modell, wenn es zum Thema Prostitution geht. Das gibt es in Schweden schon. Wird auch immer wieder in Deutschland herzitiert, ob man das nicht hier auch umsetzen kann. Wie siehst du das? Was hältst du davon vom nordischen Modell? Was ist das überhaupt? Vielleicht kann das für unsere Zuhörer mal so ein bisschen erklären. Ja, da müsste man tatsächlich ausgreifen oder ein bisschen weitergehen. Es wird so weitläufig irgendwie nordisches Modell genannt. Faktisch würde man wahrscheinlich eher von einem neo-abolitionistischen Modell sprechen. Also es lehnt sich so ein bisschen an die Abolitionismusbewegung von damals, von der Sklaverei-Bewegung, wo es darum ging, die Sklaverei aufzulösen. Das zeigt dann auch wieder das Framing, was wir jetzt hier haben, was so zur Prostitution gilt, dass es quasi eine Form der Sklaverei ist. Und jetzt sagt man, es gibt halt dieses Neo-Abolitionistische, also quasi ein neuer Ansatz, Frauen aus der Sklaverei der Prostitution zu befreien. Das wäre jetzt mal so grob der ansatz und wir haben es eben nicht nur in schweden was jetzt immer wieder auftaucht wir haben es in frankreich wir haben es in irland israel hat es übernommen Kanada hat es und in der EU gibt es jetzt auch stark die Tendenz oder auch durch das Europäische Parlament die Resolution, dass alle europäischen Mitgliedstaaten das nordische Modell, dass es ihnen empfohlen wird. Und was eben besonders ist, ist, dass dieser deutsche Fall da so ein bisschen heraussticht. Wenn ich ein bisschen zeitgeschichtlich zurückgehe, dann hatten wir in dieser Zeit von vor 2002 eine große Debatte in Schweden, in Deutschland, in den Niederlanden, die nach einer relativ langen Zeit des liberalen Umgangs dazu übergegangen sind, wir müssen jetzt was tun. Das Thema wurde enttabuisiert. Die sexuelle Revolution kam ja dazu, die Aids-Pandemie. Das hat alles dazu geführt, dass man wieder mehr über den Umgang mit Sexualität gesprochen hat, dass das Thema auch im Parlament debattiert wurde. Und dann ist ja Schweden diesen Weg gegangen zu sagen, wir wollen Prostitution entstigmatisieren, wir wollen, dass die Frauen wieder mehr in die Gesellschaft kommen, integriert werden und dass sie aber auch geschützt werden. Es wurde stark als Gleichstellungsthema behandelt und die sind dann eben dazu übergegangen zu sagen, wir machen eine asymmetrische Kriminalisierung. Die Frauen selber dürfen arbeiten, sie werden nicht belangt. Stattdessen werden ja die Freier, die bisher immer so ein bisschen unter den Tisch gefallen sind, die werden jetzt dafür strafrechtlich verfolgt und gleichzeitig, und das ist das Spannende, ist in Deutschland eine ähnliche Debatte gewesen, die haben auch gesagt, wir wollen Prostituierte entstigmatisieren, wir wollen, dass sie in die Gesellschaft integriert werden, aber wir machen es über einen relativ liberalen Weg, quasi die Dekriminalisierung beider Seiten. Und dadurch sollte Prostitution in der Gesellschaft ankommen, entstigmatisiert werden, Auch moralisch sollte diese starke Besetzung aufgelöst werden. Das sind so diese beiden unterschiedlichen Wege, die man dann in der EU gefunden hat. Die Niederlande war ja auch ziemlich liberal in der Zeit. Und jetzt kommt es eben zu diesem Shift. Wir hatten dann relativ kurz nach diesem Prostitutionsgesetz von 2002 in Deutschland kam Kritik auf. Es wurde gesellschaftlich viel diskutiert, aber auch auf Parlamentsebene, dass dann gemerkt wurde, okay, irgendwie passieren da jetzt Dimensionen, weil ja nicht nur Prostitution dekriminalisiert wurde, sondern auch andere legale Situationen verändert wurden. Also die Polizei hatte nicht mehr so einfachen Zugang in die Bordelle und da gab es dann bestimmte Auswüchse. Es gab viel Gangbang-Partys, Flatrate-Bordelle, Sex mit Schwangeren wurde stark beworben und das hat so diesen moralischen Aufschrei dann provoziert, dass alle sagten, oh je, jetzt haben wir hier etwas, was wir eigentlich nie wollten. Also eine ganz unbeabsichtigte Folgewirkung des Gesetzes im Grunde. Und das wurde dann eben viel diskutiert. Das Parlament ging dann dazu über, zu sagen, okay, wir müssen irgendwie nachjustieren, was dann zum Prostituierten-Schutzgesetz geführt hat, was wir jetzt gerade haben. Das heißt, dass Bordelle stärker kontrolliert werden. Sie müssen zertifiziert werden über das Ordnungsamt. Nicht jeder darf mir ein Bordell aufmachen, sondern es wird dann eben kontrolliert, wer ist es eigentlich. Die Frauen sollen stärker geschützt werden, indem sie sich anmelden. Als Prostituierte, das fiel ja gerade schon. Sie haben regelmäßige Gesundheitsberatungen. Es gibt eine Kondompflicht. Also einfach so ein paar Rahmenbedingungen, die die Arbeit sicherer machen sollen. Und da befinden wir uns jetzt gerade und dieses Gesetz wird derzeit evaluiert durch ein unabhängiges Institut. Und was aber jetzt gerade passiert, ist, dass die Stimmen für dieses sogenannte nordische Modell wieder laut werden und das gefordert wird, eigentlich müssten wir ja jetzt sofort, weil wir sehen ja, es ist schlimm, es wird immer schlimmer, den Frauen geht es schlecht. Aufgrund von einer relativ labilen Datengrundlage würde ich sagen, möchten jetzt bestimmte Fraktionen das nordische Modell einführen und eben auch bestimmte Lobbys. Aber da muss ich jetzt nochmal einhaken. Letztendlich bedeutet das ja ein Sexkaufverbot, so heißt es ja auch im Volksmund. Und in Corona hatten wir ja sowas ähnliches schon und der Bedarf oder die Nachfrage ist ja da auf Käuferseite, wenn man das so nennen darf. Ist dann nicht zu befürchten, wenn wir es verbieten, das war eben auch in Corona, dass es sich dann auf irgendwelche dunklen Waldplatz verlagert. Das Netz bietet ja heute auch umfassende Möglichkeiten, sich zu verabreden in gewissen Foren, wo dann auch eben die Ordnungsbehörden und auch die Polizei gar keinen Zugriff hat. Bewirken wir damit nicht genau das Gegenteil, dass die Frauen eigentlich viel, viel weniger geschützt sind, weil ich wenn ich mir vorstelle auf so einem Autobahnraschplatz, wo selten jemand vorbeikommt, dann auch Gewalt anzutun oder auch danach nichts zu bezahlen, ist da die Chance viel, viel größer. Geht der Schuss nicht nach hinten los? Das ist zu vermuten. Auch da es gibt wieder wenig belastendes Datenmaterial. Es gibt in Schweden und Frankreich natürlich schon Untersuchungen, die aber nicht von unabhängigen Instituten geführt werden, würde ich sagen, sondern es steht immer auch quasi eine bestimmte Idee dahinter. Die Schweden sagen, das Modell funktioniert, es gibt geringere Nachfrage, der Menschenhandel ist nicht mehr so präsent wie vorher. Das ist eine offizielle Nachfrage. Das weiß man. Man sieht es ja dann auch nicht mehr. Von daher ist es auch nicht mehr so leicht Daten zu erheben. Weil wenn ich mir jetzt vorstelle, ich als Sozialwissenschaftlerin komme ins Feld und möchte jetzt sehen, wie viele Männer gehen denn zu Prostituierten. Ich werde ja niemanden finden, der bereit ist, mit mir zu sprechen. Und das ist einfach die Schwierigkeit. Das funktioniert in Deutschland noch relativ gut. Es gibt Untersuchungen, die sich an Männer richten. Und da sind die Männer auch bereit zu reden, auch zu erklären, warum machen sie es und wie oft und so weiter. Von daher kommt man da relativ gut noch an Daten dran. Das ist in diesen anderen Ländern mit dem nordischen Modell eben nicht mehr möglich. Und das, was man aber auch schon untersucht hat, ist, dass es für Frauen tatsächlich prekärer geworden ist. Also manche können es sich vielleicht leisten zu sagen, gut, dann arbeite ich jetzt nicht mehr in Schweden, sondern dann arbeite ich in den Niederlanden oder in Deutschland. Da ist es einfacher. Da habe ich einen einfachen Umgang mit der Klientel. Die, die es sich nicht leisten können, bleiben dort und haben dann aber eigentlich prekärere Umstände. Also was in Schweden auch ist, dass es eng mit dem Migrationsgesetz verbunden ist. Das heißt, für Frauen ist es immer auch eine gewisse Gefahr, wenn ich einreise und mir wird unterstellt, dass ich der Prostitution nachgehen möchte, kann ich direkt wieder ausgewiesen werden. Das heißt, so ganz funktioniert es auch nicht mit der Dekriminalisierung. Also zumindest ein Stigma bleibt trotzdem haften. Und was zum Beispiel für Frauen, die am Straßenstrich arbeiten, die haben ein relativ gutes Gespür, zumindest was wir aus unserer Praxiserfahrung jetzt mitbekommen haben, bei wem steige ich jetzt ins Auto, wie sicher ist eigentlich die Situation gerade und die haben auch die Minuten, das einzuschätzen. In Schweden, da ist es ja im Interesse beider Parteien für die Frau, damit sie das Geld verdient, für den Mann, dass er nicht verhaftet wird. Das ist ziemlich schnell passiert. Das heißt, die Frau steigt sehr schnell in ein Auto, ohne abprüfen zu können, ist es jetzt gerade für mich sicher und sie wird es auch wahrscheinlich machen, wenn sie ein ungutes Gefühl dabei hat. Ja, wir sind am Ende von unserem ersten Teil zum großen Thema heute Prostitution. Spannende Expertenrunde und ich freue mich, wenn ihr vielleicht beim zweiten Teil wieder reinschaltet oder reinhört. Tschüss! Oder wenn ihr beim zweiten Teil wieder reinhört. Tschüss!